Wer schlägt, der geht!

Das Gewaltschutzgesetz ist 2002 in Kraft getreten. Kernstück des Gesetzes ist die Umsetzung des Slogans „Wer schlägt, der geht!“ Als Beispiel: Wenn der Partner gewalttätig gegenüber seiner Frau oder Freundin ist, kann die Polizei ihn aus der gemeinsamen Wohnung verweisen. Sie kann auch ein Näherungsverbot aussprechen.

Damit wird häusliche Gewalt nicht länger als ein individuelles, sondern als gesellschaftliches Problem betrachtet. Der Schutz vor Gewalt in der eigenen Häuslichkeit bekam einen höheren Stellenwert.

Frauen mit Behinderungen zeigen die Täter häufiger an

Frauen mit Behinderungen, die in der eigenen Wohnung leben, nutzen ihr Recht auf Anzeige des Täters häufiger als nichtbehinderte Frauen.

  • Beinahe jede 3. Frau mit Behinderung, die von ihrem Partner körperliche Gewalt erlebt, schaltet die Polizei ein,
  • jede 5. erstattet Anzeige gegen den Täter (der meist männlich ist).

Allerdings wird das Verfahren in jedem 3. Fall auch eingestellt.

Einrichtungen der Behindertenhilfe bringen körperliche Gewalt gegen Bewohnerinnen mit Behinderung noch häufiger zur Anzeige.

  • In jedem 3. bis 4. Fall wird eine Anzeige gegen den Täter gestellt,
  • die Polizei wird in jedem 2. bis 3. Fall gerufen.

Es gibt jedoch leider keine statistischen Zahlen zum weiteren Verfahrensverlauf.

Im Vergleich: Nur 17 Prozent der nichtbehinderte Frauen rufen die Polizei bei häuslicher Gewalt, nur 13 Prozent zeigen den Täter an.

Herausforderung Pflege

Von der Pflegeversicherung wird keine bedarfsdeckende Pflege finanziert, so dass Pflegebedürftige auf zusätzliche Pflege aus dem Umfeld angewiesen sind.

Es gibt keine Regelung, wie im Falle der Wegweisung des pflegenden Täters die Pflege der gewaltbetroffenen Frau unbürokratisch und schnell realisiert werden kann.

In Schutzeinrichtungen wie Frauenhäusern ist diese personell und konzeptionell in vielen Fällen auch nicht zu realisieren und Pflegeeinrichtungen sind kein Zufluchtsort. Dort kann der Schutz der Frau konzeptionell nicht gewährleistet werden.

Deshalb: Es braucht unbürokratische Regelungen in den Kommunen, wie Frauen mit Pflegebedarf sehr schnell eine Ersatz-Pflege erhalten, wenn der pflegende Partner häusliche Gewalt ausgeübt hat!

Herausforderung Wohn-Einrichtungen

Die stationäre Wohneinrichtung ist kein auf Dauer angelegter gemeinsamer Haushalt, weshalb das Wegweisungsrecht unter Umständen nicht greift, allenfalls das Kontaktverbot.

Wenn der Täter ein Mitbewohner mit Behinderung ist, der auch einen Rechtsanspruch auf Förderung, Pflege oder Therapie hat, besteht zudem das berechtigte Interesse des Täters zum weiteren Aufenthalt in der Einrichtung.

Eine Verlegung in eine andere Wohngruppe oder eine andere Einrichtung schützt die gewaltbetroffene Frau und ist daher begrüßenswert, verschiebt die Problemlösung jedoch auch in andere Wohngruppen, zumal Täterarbeits-Programme fast in allen Einrichtungen fehlen.

Deshalb: Es braucht eine Klarstellung des Vorrangs von Schutz vor Gewalt versus des Rechtsanspruch auf Förderung, Pflege oder Therapie des Täters!

Herausforderung Glaubwürdigkeit

Im Anzeigeverfahren sind behinderungsspezifische Fähigkeiten nicht berücksichtigt. Blinde Frauen berichten:

"Es wird nach dem Aussehen des Täters, der Umgebung und so weiter gefragt."

Fragen, die sie nicht beantworten können. Sie können jedoch sehr genau sagen, wie der Geruch des Täters oder der Umgebung war, der Hinweise geben kann.

Frauen mit Lernschwierigkeiten und ihre Unterstützerinnen berichten:

"Es wird nach genauem Datum und Uhrzeit gefragt."

Frauen mit Lernschwierigkeiten orientieren sich jedoch teilweise nicht am Datum oder Wochentagen. Sie wissen aber oft genau: Das war an dem Tag, an dem es Bratwurst und Bratkartoffeln gab.

Diese und ähnliche Hinweise entsprechen jedoch nicht dem üblichen Anzeigeverfahren, weshalb viele Verfahren bereits sehr früh eingestellt werden. Hinzu kommt, dass Frauen mit Behinderungen gerade sexualisierte Gewalt oft nicht geglaubt wird.

Deshalb: Das Anzeigeaufnahmeverfahren muss überarbeitet werden unter Berücksichtigung der behinderungsspezifischen Aussagemöglichkeiten!



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