Im Jahr 2016 gelang der Durchbruch! Einem breiten Bündnis von Frauenrechtsorganisationen und Politikerinnen gelang es, die Forderung „Nein heißt Nein!“ im Sexualstrafrecht zu verankern. Ein echter Meilenstein!
Und ein zweiter Meilenstein gelang Weibernetz und Frauen mit Behinderungen: Frauen, die zum Beispiel infolge einer Beeinträchtigung nicht in der Lage sind, einen Willen zu bilden, müssen künftig deutlich ihre Zustimmung für eine sexuelle Handlung geben (Nur Ja heißt Ja!).
Ansonsten ist die sexuelle Handlung eine Straftat. Auch das Strafmaß für solche Taten wurde erhöht.
Mit dieser Änderung ist eine langjährige Forderung von Frauen mit Behinderungen erfüllt worden.
Gab es zuvor doch einen Extra-Paragrafen, den § 179 im Strafgesetzbuch. Nach diesem wurden sexuelle Handlungen beziehungsweise sogenannter sexueller Missbrauch an widerstandsunfähigen Personen mit einem lediglich halb so hohen Strafmaß geahndet (6 Monate statt mindestens einem Jahr Haftstrafe).
Die Begründung für das geringere Strafmaß lautete: Die kriminelle Energie des Täters bei der Überwältigung einer widerstandsunfähigen Person sei geringer. Neben dem Strafmaß war die Wortwahl „widerstandsunfähig“ in der Praxis missverständlich und wurde häufig falsch verstanden und gleichgesetzt mit einer Behinderung.
Das unterschiedlich hohe Strafmaß empfanden Frauen mit Behinderungen seit jeher als Ungerechtigkeit. Es war gesellschaftlich nicht vermittelbar. Bereits in den 1980er Jahren gab es Proteste aus der Bewegung behinderter Frauen gegen den § 179.
Im Jahr 2002 sammelte Martina Puschke, die damals noch Leiterin des Hessischen Koordinationsbüros für behinderte Frauen war, Unterschriften für eine Gesetzesnovelle und übergab sie der damaligen Justizministerin Brigitte Zypries (Foto).
In jeder Legislaturperiode brachten die Landesnetzwerke behinderter Frauen und Weibernetz das Thema ein. Viel Überzeugungsarbeit mit langem Atem, die schließlich nach ungefähr 30 Jahren zum Erfolg führte!
Der neue Paragraf 177 im Strafgesetzbuch (Auszüge) lautet seit 2016:
Absatz 2 Satz 1 und 2:
„Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
- der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert“ (Nur Ja heißt Ja! – Das Strafmaß beträgt 6 Monate bis 5 Jahre.)
Absatz 4:
„Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.“
Der von allen Frauenorganisationen gefeierte Durchbrauch lautet jedoch „Nein heißt Nein!“ Ebenfalls lange Jahre erkämpft, wird nun endlich auch ein deutliches Nein! oder ablehnendes oder abwehrendes Verhalten von Frauen wie Weinen oder Wegdrehen anerkannt.
Diese Verhaltensweisen zeigen, dass eine sexuelle Handlung unter solchen Bedingungen gegen den Willen der Frau stattgefunden hat und somit strafbar ist. Und zwar auch dann, wenn die Frau nicht massiven Widerstand geleistet hat. Auch dann, wenn der Täter keine Gewalt angewendet hat (Nötigung). Diese und weitere Lücken wurden mit der Sexualstrafrechtsreform geschlossen.
Weibernetz hätte jedoch für alle Frauen eine „Nur Ja heißt Ja!“ Lösung befürwortet. Auch vor dem Hintergrund der Istanbul-Konvention, nach der sexuelle Handlungen nur dann straffrei sind, wenn sie einvernehmlich stattfinden, wenn freiwillig eine Zustimmung gegeben wurde.
Zwischen einem aktiven Verhalten (Zustimmung) und einem passiven Verhalten (weder zustimmen noch ablehnen) besteht nach unserer Ansicht ein Unterschied. Weibernetz ist der Meinung, dass bei einem Nicht-Verhalten eine Zustimmung fehlt und die Handlung somit nicht einvernehmlich ist.
Die gleichzeitig mit der Reform sozusagen in letzter Sekunde vorgenommene Verschärfung des Asylrechts finden wir insbesondere ausgesprochen problematisch, weil eine Ausweisung im laufenden Asylverfahren unter Umständen Folter oder Tod im Herkunftsland bedeuten.
Die unterschiedliche Strafform legt nahe, dass ein Fehlverhalten von asylsuchenden Menschen einen deutlich höheren Unrechtsgehalt hat, während die immer vorhandene alltägliche Gewalt durch „einheimische“ Männer nur selten noch eine Schlagzeile wert; sie ist "verdeckter Alltag" - für die Frauen und für die Gesellschaft.
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