Weibernetz unzufrieden mit Rahmenempfehlung Rehabilitationssport

Selbstbehauptungs und Selbstverteidigungskurse nach dem SGB IX

Immer wieder fragen behinderte Frauen, wann die Kurse nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) IX starten. Es herrscht eine große Unsicherheit sowohl auf Seiten der behinderten Frauen als auch auf Seiten der ausgebildeten Trainerinnen. Die Rehabilitationsträger haben sich jetzt geeinigt. Am 1. Oktober 2003 ist die neue Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining in Kraft getreten.

Aus der Rahmenvereinbarung der zuständigen Rehabilitationsträgern, dem Deutschen Behindertensportverband e.V., der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e.V. und der Deutschen Rheuma-Liga e.V. wird deutlich:

Alles ist weiterhin unklar, zumindest weitestgehend.

So stellt die Rahmenvereinbarung zum Beispiel fest, dass

„bei Bedarf auch spezielle Übungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Frauen und Mädchen, deren Selbstbewusstsein als Folge der Behinderung oder drohender Behinderung eingeschränkt ist (…)“

Gleichzeitig ist festgelegt, dass ÄrztInnen behinderten und von Behinderung bedrohten Frauen keinen Rehasport ausschließlich wegen fehlenden Selbstbewusstseins verordnen dürfen. Ebenso ist festgelegt, dass im Rehasport nicht vorrangig Selbstverteidigungsübungen und Übungen aus dem Kampfsportbereich angeboten werden dürfen. Aber es dürfen

„geeignete Übungsinhalte anderer Sportarten (…) in die Übungsveranstaltungen eingebunden werden (zum Beispiel Elemente aus Judo, Karate, Taekwan-Do, Jiu-Jitsu, Entspannungsübungen).“

Auf jeden Fall darf reiner Kampfsport und Selbstverteidigung nicht als Rehasport anerkannt werden.

Wir vom Weibernetz verstehen die Logik dieser Aussagen nicht. Andere AutorInnen verstehen das Gesetz auch anders. Zum Beispiel Dr. Hartmut Haines, Ministerialrat im Bundesministerium für Gesundheit und Soziales. Er ist einer der Autoren des Praxiskommentars zum SGB IX und stellt dort fest, dass unter den Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins

„vor allem sog. Selbstbehauptungskurse zu verstehen“

sind. Auch Prof. Dr. Renate Bieritz-Harder stellt in ihren Ausführungen zur Umsetzung des § 44 SGB IX klar, dass diese Kurse

„in denjenigen Fällen zu gewähren (sind), in denen es vornehmlich darum geht, das Selbstbewusstsein von betroffenen Mädchen und Frauen zu stärken“.

Die vom Weibernetz eingebrachten Einwände und Argumentationen dieser Art wurden von Seiten der Rehaträger jedoch nicht akzeptiert, da sie zu einseitig seien.

Es wird immer deutlicher, dass wir Richtlinien zur Durchführung der Kurse im Rehasport brauchen. Diese sollen in der nächsten Zeit erarbeitet werden.

Welche Kurse gibt es jetzt?

Für alle Frauen, die nicht so lange warten wollen, bis sich die Rehaträger mit dem Deutschen Behindertensportbund geeinigt haben: Es wird weiterhin einzelne Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse von freien Trägerinnen geben. Diese müssen wie bisher bezahlt werden.

Für die Kurse nach dem SGB IX ermutigen wir alle Frauen, bei den örtlichen Behindertensportverbänden nachzufragen, ob sie bereits Kurse anbieten.

Einzelne Landesverbände des Deutschen Behindertensportbunds, wie zum Beispiel der in Berlin, arbeiten in Kooperation mit anerkannten Selbstverteidigungstrainerinnen und bieten schon kostenlose Kurse nach dem SGB IX an. Allerdings nur mit einem Rezept, auf dem bescheinigt ist, dass „Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins“ als geeignetes Mittel gesehen werden.



Dieser Artikel ist verschlagwortet mit:

Zurück