Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März fordert die Politische Interessenvertretung behinderter Frauen im Weibernetz e.V. den Gesetzgeber auf, widerstandsunfähige Frauen bei der anstehenden Sexualstrafrechtsreform konsequent von Anfang an mit zu denken.
Wie aus Kreisen des Bundesjustizministeriums zu hören ist, soll noch in diesem Jahr eine „kleine“ Reform des Sexualstrafrechts durchgeführt werden, um europäischen Anforderungen der sogenannten Istanbul-Konvention gerecht zu werden. Hierfür sind Änderungen im deutschen Strafrecht zur Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung notwendig.
Parallel wurde vom Justizministerium ein Prüfungsprozess angestoßen, das Sexualstrafrecht grundlegend zu überarbeiten. Eine extra hierfür eingesetzte Kommission soll zunächst Vorschläge und Empfehlungen erarbeiten.
Weibernetz ist wichtig: „Auch bei der vorgesehenen kleinen Reform des Sexualstrafrechts muss der künftige Umgang mit Gewaltdelikten bei widerstandsunfähigen Menschen bereits jetzt bedacht werden. Denn mit der kleinen Reform des einschlägigen § 177 Strafgesetzbuch werden grundlegende Weichen für das künftige Sexualstrafrecht gelegt“, führt Martina Puschke, Projektleiterin im Weibernetz aus.
Die Politische Interessenvertretung behinderter Frauen befürchtet zudem: „Außerdem befürchten wir, dass durch das zweistufige Verfahren am Schluss wieder die Belange widerstandsunfähiger Frauen hinten über fallen. Denn ob es nach der kleinen Reform in dieser Legislatur wirklich noch zu einer großen Reform kommen wird, in der dann über die Zukunft des § 179 für widerstandsunfähige Personen entschieden wird, ist mehr als fraglich. Bereits bei der letzten Reform im Jahr 2003 wurde der § 179 hinsichtlich sexualisierter Gewalt nicht verändert, so dass wir nach wie vor ein 2-Klassen-Strafrecht haben,“ ergänzt Martina Puschke.
Grundsätzlich wird sexualisierte Gewalt nach § 177 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft, und zwar mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Der Täter nutzt bei einer sexuellen Nötigung seine Macht gegen den Willen seines Opfers aus.
Unter bestimmten Bedingungen (zum Beispiel im Wachkoma, unter Medikamenteneinwirkung oder Drogen oder nach einer Narkose) sind Menschen nicht widerstandsfähig. Das heißt, sie können keinen Willen bilden und deshalb keinen Widerstand leisten. Erfahren sie sexualisierte Gewalt, kann der Täter nach
§ 179 StGB mit einem halb so hohen Strafmaß rechnen; mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten. Dieses Recht ist nicht mit der Behindertenrechtskonvention vereinbar.
Eine repräsentative bundesweite Studie der Universität Bielefeld belegt, dass Frauen mit Behinderung zwei bis dreimal häufiger gerade sexualisierte Gewalt erfahren als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt.
Die bundesweite Politische Interessenvertretung behinderter Frauen im Weibernetz e.V. setzt sich für die Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigung ein. Sie setzt sich für gleichberechtigte Teilhabechancen und Schutzmaßnahmen bei Gewalt gegen Frauen mit Behinderung ein. Gefördert wird die Interessenvertretung vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
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