Warum werden Sexualstraftäter bei sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen geringer bestraft?

Weibernetz e.V. fordert Untersuchung in Sachen Sexualstrafrecht

Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März fordert die Politische Interessenvertretung behinderter Frauen im Weibernetz e.V. die Überprüfung der unterschiedlichen Mindeststrafen bei sexueller Nötigung einerseits und sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen andererseits im Strafgesetzbuch.

Hierzu erläutert Weibernetz e.V.:

Grundsätzlich werden sexuelle Nötigung und Vergewaltigung nach § 177 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft, und zwar mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, in besonders schweren Fällen mit mindestens zwei Jahren oder mehr. Der Täter nutzt bei einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung seine Macht gegen den Willen seines Opfers aus.

Unter bestimmten Bedingungen (zum Beispiel im Wachkoma, unter Medikamenteneinwirkung oder Drogen oder nach einer Narkose) sind Menschen nicht widerstandsfähig. Das heißt, sie können keinen Willen bilden und deshalb keinen Widerstand leisten. Werden sie sexuell missbraucht, kann der Täter nach § 179 StGB mit einem geringeren Strafmaß bestraft werden; mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten.

„Diese unterschiedlich hohen Strafen verstehen Frauen mit Behinderung nicht“, empört sich Martina Puschke, Projektleiterin im Weibernetz. „Warum Täter geringer bestraft werden, gerade wenn sie eine besonders schutzlose Lage ausnutzen und sexualisierte Gewalt ausüben, ist nicht zu kommunizieren und ist vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention, die Menschen mit Behinderung die gleichen Rechte zusichert, zu hinterfragen.“

Hinzu kommt, dass gerade Frauen mit Lernschwierigkeiten (sogenannter geistiger Behinderung) teilweise irrtümlich als widerstandsunfähig eingestuft werden und entsprechend Anklage nach § 179 StGB erhoben wird. „Deshalb fordern wir eine sogenannte Rechtstatsachenuntersuchung, in der geprüft wird, in welchen Fällen in den letzten Jahren nach § 179 StGB verhandelt wurde und ob die unterschiedlichen Strafmaße noch zeitgemäß sind“, erläutert Puschke.

In der letzten Sexualstrafrechtsreform aus dem Jahr 2003 wurde das Mindeststrafmaß für Vergewaltigung im § 179 StGB an das nach § 177 StGB angepasst und beträgt seither einheitlich mindestens zwei Jahre. Zuvor wurden Täter, die eine widerstandsunfähige Person vergewaltigt hatten, lediglich mit einem Mindeststrafmaß von einem Jahr belangt. Die Strafrahmenanpassung bei sexuellem Missbrauch bei widerstandsunfähigen Personen wurde nicht vorgenommen und ist daher mit 6 Monaten weiterhin nur halb so hoch wie bei Personen, die Widerstand leisten konnten.

Im aktuellen Koalitionsvertrag wird angedeutet, sich diesem Thema widmen zu wollen. Eine konkrete Aussage fehlt jedoch.

Eine repräsentative bundesweite Studie der Universität Bielefeld belegt, dass Frauen mit Behinderung zwei bis dreimal häufiger gerade sexualisierte Gewalt erfahren als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt.

Die bundesweite Politische Interessenvertretung behinderter Frauen im Weibernetz e.V. setzt sich für die Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigung ein. Sie begleitet die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und setzt sich für Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei Gewalt gegen Frauen mit Behinderung ein. Gefördert wird die Interessenvertretung vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.



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