Aktuelle Studie: Fast die Hälfte der Frauen mit Behinderung von sexueller Gewalt betroffen

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen am 25.11. fordern Verbände wirksame Gegenmaßnahmen und stellen gelingende Projekte vor

Am 22.11.2011 wurden erste Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung über die Lebenssituation von behinderten Frauen in Deutschland bekannt gegeben. Es ist nun wissenschaftlich belegt, was viele Expert/innen erwartet hatten: Frauen mit Behinderung sind zu einem weit höheren Anteil in ihrem Leben von Gewalt, Übergriffen und Diskriminierung betroffen als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung.

Besonders augenfällig: Frauen mit Behinderung berichteten zwei- bis dreimal häufiger davon, dass sie in ihrer Kindheit und Jugend sexuell missbraucht worden sind. Häufig setzen sich die sexuellen Gewalterfahrungen auch im Erwachsenenleben fort. So gab je nach befragter Gruppe jede dritte bis jede fünfte behinderte Frau an, erzwungene sexuelle Handlungen erlebt zu haben. Am häufigsten betroffen sind Frauen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben: von ihnen berichteten 38% von sexueller Gewalt. Zusammengefasst berichtete fast die Hälfte der befragten Frauen von sexuellen Gewalthandlungen in Kindheit, Jugend oder Erwachsenenalter.

Die BMFSFJ-finanzierte Studie hat ebenso alarmierende Erkenntnisse zu psychischer und körperlicher Gewalt gegen Frauen mit Behinderung erbracht und zeigt, dass ihre Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, stark eingeschränkt sind. „Es ist gut, dass diese Zahlen nun öffentlich sind. Jetzt ist es Zeit zu handeln und die Lebenssituation der Frauen zu verbessern“, sagt Katja Grieger vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff).

Ein beispielhaftes Projekt als Prävention und zum Schutz vor Gewalt war das Pilotprojekt ‚Frauenbeauftragte in Einrichtungen der Behindertenhilfe‘. Es wurde von Weibernetz e.V. in Kooperation mit Mensch Zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V. durchgeführt, um Frauen mit Lernschwierigkeiten darin zu schulen, als Frauenbeauftragte im Wohnheim oder einer Werkstatt für behinderte Menschen zu arbeiten.

„Es sollte in allen Wohnheimen und Werkstätten Frauenbeauftragte geben! Dazu bedarf es einheitlicher Regelungen im Gesetz oder in Verordnungen wie der Werkstättenmitwirkungsverordnung. Denn Frauenbeauftragte, die selber eine Behinderung haben, wissen um die Probleme in den Einrichtungen, hören zu und können dazu beitragen, die Situation für Frauen zu verändern.“, fasst Magdalene Ossege vom Vorstand des Weibernetz e.V. die Projekterfahrungen zusammen.

Zugleich muss das spezialisierte Hilfesystem, bestehend aus Frauenberatungsstellen, Frauennotrufen, Interventionsstellen und Frauenhäusern, sich noch mehr gegenüber Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen öffnen. Dafür setzt sich der bff mit dem Projekt Zugang für alle! ein.

„Wir brauchen keine Extraprogramme für Frauen mit Behinderung, sondern alle Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen müssen automatisch auch für sie nutzbar sein.“, erläutert Martina Puschke von Weibernetz e.V. Viele Fachstellen gehen bereits verstärkt auf behinderte Frauen zu und unterstützen sie. „Häufig fehlt den Stellen dafür aber das nötige Geld. Wir erhoffen uns von den Studienergebnissen, dass viele Geldgeber/innen nun auch den Handlungsbedarf erkennen“, sagt Katharina Göpner, die das Projekt Zugang für alle! im bff bearbeitet.


Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) setzt sich bundesweit durch Kampagnen, Projekte und Öffentlichkeitsarbeit gegen Gewalt gegen Frauen ein. Seit 2010 gibt es im bff das Projekt Zugang für alle!

Kontakt:
Internet: www.frauen-gegen-gewalt.de
Telefon: 030 / 322 99 500


Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V. ist ein Verein von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Kooperationspartner des Projektes Frauenbeauftragte in Einrichtungen.

Kontakt:
Internet: www.people1.de


Weibernetz e.V. ist die politische Interessenvertretung behinderter Frauen in Deutschland und koordinierte das Projekt Frauenbeauftragte in Einrichtungen.

Kontakt:
Internet: frauenbeauftragte.weibernetz.de/


Der 25.11.: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Am 25. November 1960 starben in der Dominikanischen Republik drei Frauen eines gewaltsamen Todes. Sie wurden auf Grund ihrer Aktivitäten gegen Diktator Trujillo vom militärischen Geheimdienst gefoltert, vergewaltigt und ermordet. Als 1981 ein Treffen von Feministinnen aus Lateinamerika und der Karibik in Bogota stattfand, wurde der 25.11. zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ausgerufen.

(V.i.S.d.P.) Silvia Zenzen, Berlin, 23.11.2011



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