Seit mehr als 10 Jahren fordern Frauen mit Lernschwierigkeiten den Einsatz von Frauenbeauftragten in Werkstätten und Wohneinrichtungen. Frauen in Einrichtungen sind im hohem Maße von Gewalt betroffen und werden in vielen Bereichen ihres Lebens benachteiligt.
In einem von Weibernetz e.V. und Mensch zuerst e.V. durchgeführten und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanzierten Pilotprojekt wurde diese Forderung von 2008 bis 2011 in der Praxis erprobt.
Die Ergebnisse zeigen: Die Idee der Frauenbeauftragten in Werkstätten und Wohneinrichtungen funktioniert. Die Frauen sind Vertrauenspersonen auf Augenhöhe für ihre Kolleginnen und Mitbewohnerinnen, sie schaffen durch ihre Arbeit eine höhere Aufmerksamkeit für die Probleme und Bedürfnisse von Frauen mit Lernschwierigkeiten und nicht zuletzt machen sie mit ihrem Vorbild anderen Frauen in der Einrichtung Mut.
Daraus folgt für die Praxis:
- Es sollte flächendeckend in jeder Werkstatt, in der Frauen beschäftigt sind, Frauenbeauftragte geben.
- Dazu braucht es eine gesetzliche Verankerung in der Werkstättenmitwirkungsverordnung.
- Frauenbeauftragte sollen grundsätzlich die gleichen Rechte wie Werkstatträte haben:
- Mitwirkung beziehungsweise Mitbestimmung bei allen Fragen, die die weiblichen Beschäftigten und den Umgang von Frauen und Männern in der Werkstatt betreffen
- Rechtzeitige Unterrichtung über alle Fragen in der Werkstatt, welche Frauen betreffen
- Beteiligung an einrichtungsinternen Gremien
- Anspruch auf fachliche Beratung durch externe Stellen zum Beispiel Frauenberatungsstellen
- Zu den Aufgaben von Frauenbeauftragten in Werkstätten gehören:
- das Informieren ihrer Kolleginnen über ihre Rechte und Möglichkeiten
- Vertrauens- und Ansprechperson für die weiblichen Beschäftigten
- Interessenvertretung ihrer Kolleginnen
- Anlaufstelle bei dem Vorkommen von sexueller Belästigung und Gewalt (gegebenenfalls unter Hinzuziehung mit externen Beratungsstellen für Frauen und/oder Mitarbeiterinnen des Fachpersonals).
- Frauenbeauftragte brauchen für ihre Arbeit unter anderem:
- gute Rahmenbedingungen in ihrer Einrichtung.
Dazu gehören ein Büro mit Ausstattung, ungestörte Durchführung von Sprechzeiten, ein eigenes Budget für Materialien oder Angebote.
- eine fundierte Ausbildung
- eine Unterstützerin für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Tätigkeit.
- eine Freistellung von ca. 6 Std. wöchentlich
- die Durchführung von regelmäßigen Sprechstunden
- Vernetzung mit anderen Stellen, zum Beispiel Frauenberatungsstellen, kommunale Frauenbeauftragte, Anwältinnen, Polizei, Runde Tische zum Thema Gewalt, Beratungsstellen für Menschen mit Behinderung.
- Für die Akzeptanz der Frauenbeauftragten ist eine Verankerung ihrer Aufgaben im Leitbild der Einrichtung vorteilhaft.
Für die Einführung des verpflichtenden Einsatzes von Frauenbeauftragten in allen Werkstätten für behinderte Menschen befürwortet Weibernetz e.V. eine Stichtagsregelung für die Implementierung einer Frauenbeauftragten 4 Jahre nach In-Kraft-Treten der entsprechenden Regelung. Für die weitere Implementierung von Frauenbeauftragten in Zweigstellen sowie für die Implementierung von Stellvertreterinnen schlagen wir einen Stufenplan mit klaren zeitlichen Vorgaben vor.
Ricarda Kluge und Beatrice Gômez-Barroso